Vancouver - British Columbia


 

20.-23.09.2018 die letzten Tage in Vancouver und Kanada

Die letzten Tage sind schnell erzählt. Nun hat der Regen die Oberhand gewonnen, immer wieder ergießt er sich über die Stadt. Ich nutze die Zeit zum Bummeln durch Geschäfte, Kirchen und Museen, zum Schreiben und einfach im Café sitzen. Die kleine Bill Reid Gallery hält mich im Bann, am Schönsten finde ich die Skulptur „Der Rabe und die ersten Männer“, eine Darstellung der Schöpfungsgeschichte der Haida. Neben seinen Arbeiten widmet sich die Gallery aber auch der zeitgenössischen indigenen Kunst der Nordwestküste, so wird zurzeit das Wiedererwachen der kulturellen Tätowierung als Körpersprache gezeigt. Die Tätowierungen sind Ausdruck ihrer wiedergefundenen Identität, tief verwurzelt mit dem Leben und Traditionen ihrer Vorfahren. In Gastown, unweit der Dampfuhr, finde ich einen schicken Laden mit Lederklamotten für Reiter und Biker. Am Harbour Centre fahren die Fahrstühle an der Außenfassade hoch, ich bleibe lieber unten und bestaune die wunderschönen aber sehr teuren indigenen Kunstgegenstände im gegenüber liegenden Laden. Meine etwas preiswerteren Souvenirs kaufe im Stanley Park. Chinatown ist etwas schmuddelig und nicht sehr einladend, nur der Park ist sehenswert und begehbar. Yaletown ist ein wunderschönes Viertel, viele kleine Läden und Gaststätten, mit viel Grün und voller freundlicher Menschen aller Couleur, vom Obdachlosen bis zum Rolexträger. Die Robson Street, die Einkaufsmeile der Stadt ist jeden Tag gerammelt voll. Der dichte Autoverkehr schlängelt sich wie eine pulsierende Ader durch die City. Meinen Schlafsack schicke ich mit der Post vor, um Platz im Gepäck für die Souvenirs zu haben (er kommt aber erst zig Wochen nach mir an, ein praktisches Beispiel der Relativitätstheorie). Leider entdecke ich erst am Freitag in einer Nebenstraße ein Kulturzentrum, in dem jeden Donnerstag Linedance angeboten wird, man kann eben nicht alles haben. Mein Gedanke, vielleicht zum Friseur zu gehen, kann ich nicht in die Tat umsetzen, ich finde nur gut besuchte Herrenfriseure.

Als ich am Sonnabend im Park am False Creek lang spaziere, kommt mir ein kleiner Demonstrationszug mit Trommlern und bunten Fahnen entgegen. Es sind hauptsächlich Mitglieder der First Nation, die für „Lachse für jedermann“ demonstrieren. Sie versammeln sich am Ufer um ein Monument, legen Opfergaben ab, singen, tanzen, beten und appellieren an die Regierung. Der kommerzielle Fischfang minimiert den Lachsbestand und gefährdet den traditionellen Fischfang. Bleibt nur zu hoffen, dass sie Gehör finden, bei wem auch immer.

Vancouver zeigt sich als eine lebendige Multikulti-Stadt, mit einer stark ausgeprägten asiatischen Tendenz, dies sieht man neben den Menschen auch an den Schrifttafeln und Speisekarten, alles in drei Sprachen. Doch alle scheinen einträchtig nebeneinander zu leben, die Haidas, Inder, Chinesen und Cowboys. Auch ich fühle mich hier wohl und nehme nur ungern Abschied.

Doch mein letzter Abend in Vancouver und somit auch in Kanada ist angerückt. Ich kröne ihn mit dem Besuch bei dem Footballspiel der BC Lions gegen die Hamilton Tiger-Cats. Meine Befürchtung, dass es vielleicht Schlägereien wie bei uns beim Fußball gibt, lösen sich in Luft auf. Es ist ein riesengroßes Familienfest. Das Stadion, völlig überdacht, lässt den Regen draußen, drinnen eine fantastische Stimmung in einem Meer von Organ- und Rottönen der Lions. Der Lärmpegel beim heimischen Punktgewinn geht ins unermessliche, auf der Leinwand in Spielpausen eine Serie fröhlich tanzender Zuschauer. Ich bin begeistert und nahe dran, mir ein Fan-Shirt zu kaufen. Schöner kann ein Abschied nicht sein.

Mein Taxifahrer, der mich am Sonntag zum Flughafen bringt, ist ein Inder. Er lebt seit über 20 Jahren in Kanada. Als ich ihm erzähle, dass mir neben der grandiosen Natur vor allem die Gelassenheit und Freundlichkeit der Kanadier beindruckt haben, fragt er mich, warum ich nicht hierbleibe? Natürlich antworte ich mit, das geht nicht und ich freue mich auf mein Zuhause und so weiter, aber die Frage hallt noch lange in mir nach ...

 

 

18.-19.09.18 zur Capilano Bridge und auf Radtour im Stanley Park

Heute heißt es zeitig aufstehen, um mit dem ersten Busshuttle um 8:30 Uhr zur Capilano Suspension Bridge zu fahren. Diese ist eine 140 m lange frei schwingende Hängebrücke in North Vancouver. Sie überspannt den Capilano River in 70 m Höhe. Und das schon seit 1889, damals noch mit Hanfseilen, heute zum Glück mit dicken Stahlseilen, trotzdem ist das eine ganz schön wacklige Angelegenheit, bei der ich die reinste Freude habe und tausend Fotos schieße. Gesteigert wird das aber noch durch den Treetop Adventure, das sind mehrere gut begehbare Baumwipfelpfade, die in ca. 20-30 m Höhe durch den uralten Regenwald inmitten der Coast Mountain, zum Teil über zwei Etagen führen. So kann ich zwischen den Baumkronen der hoch aufgeschossenen Douglasien und Zedern wandern, ihre Zweige berühren und dem Wind in luftiger Höhe lauschen. Hier oben unter diesem grünen Baldachin seinen Schlafsack ausbreiten und als Avatar in eine unbekannte Welt eintauchen, das wäre ein Traum. Aber so langsam werden es immer mehr Besucher und der Spirit verflüchtigt sich. Im Park ist auch viel Wissenswertes über die Flora und Fauna aufgestellt. Ich stelle mich neben drei Holzschnitte und sehe, dass die Douglasie 10 Jahre braucht, um so groß zu werden wie ich, die Rot Zeder 13 und die Helmlocktanne sogar 16 Jahre. Als ich zufrieden den Park verlasse, stehen die Leute in Massen vor der Brücke.

Der nächste Tag sollte eigentlich laut Wetter-App mit Regen beginnen, doch die Sonne lockt mich aus dem Hotel. Also leihe ich mir ein Fahrrad aus und fahre damit durch den Stanley Park. Er ist der größte Stadtpark von Kanada, liegt an der Nordspitze der Halbinsel und ragt weit in den Fjord hinein. Die über 8 km Uferpromenade sowie einige der 200 km langen Parkwege fahre ich ab, immer wieder innehaltend ob der Schönheit und grandiosen Ausblicke. Die Skyline von Vancouver glitzert in der Sonne, der 18 Meter hohe Siwash Rock ragt wie ein Fingerzeig aus dem Wasser, eine Möwe ruht sich auf dem Kopf der Nixe aus, ein riesengroßer Inuksuk, eine Steinfigur der Eskimos, steht wie ein Leuchtturm an der Spitze, Wegweiser für aller Lebenswege. Schiffe fahren durch und Autos auf der Lions Gate Bridge. Am langgezogenen Strand der English Bay mache ich Rast und nehme ein kühlendes Fußbad. Ein angenehmer Plausch mit einer Kanaderin, die 10 Jahre in Berlin gelebt hat, rundet das zufriedene Gefühl ab. Die Zeit vergeht wie im Fluge, obwohl die Augenblicke ewig nachhallen werden.

 

 

16-17.09.2018  abheben und eintauchen in Vancouver

Mit dem Taxi wechsle ich die Hotels, von Richmond ins zentrumsnahe Yaletown, lege meine Taschen ab und erkunde Vancouver per Pedes. Nur fünf Minuten brauche ich bis zum False Creek, hier liegen die schönsten Jachten im Hafen, Wassertaxis schwirren wie lustige Biene Majas hin und her, Jogger und Radfahrer teilen sich den grünen Uferstreifen, lichtdurchflutete Hochhäuser mit viel Grün bilden die Kulisse. Ich gehe am riesigen BC Place Stadium vorbei und schaue in die BC Sports Hall of Fame. Davor steht das Terry Fox Denkmal. Terry Fox war ein kanadischer Leichtathlet, der mit 18 Jahren durch Knochenkrebs sein rechtes Bein verlor. Trotzdem lief er weiter. Mit seinem Lauf durch Kanada, dem „Marathon of Hope“ wollte er 1980 anderen Krebskranken Mut machen und Spenden für die Krebsforschung sammeln. Leider konnte er den Lauf nicht vollenden, hatte aber weltweit Gehör gefunden. Ich finde einen gut bestückten Supermarkt in der Nähe meines Hotels, schließlich bin ich jetzt Selbstversorger. Den Abend verbringe ich gemeinsam mit Anja, Yvonne und Oliver. Yvonne will den Gutschein von Anja für die Capilanon Suspension Bridge morgen einlösen, bei ihrer Höhenangst ein wirklich mutiges Unterfangen. Oliver will sich mit seiner Schwester in Las Vegas treffen. Und ich will zum Footballspiel der BC Lions. Da ich davon keinen blassen Schimmer habe, klärt mich Oliver über die wichtigsten Spielregeln auf. Wir haben einen fantastischen Abend, so dass der Abschied mir dann doch etwas schwerfällt. Den nächsten Morgen mache ich mir in der Gemeinschaftsküche mein Frühstück und laufe zum Hafen runter. Auf dem Weg dorthin habe ich das Glück in einer Kirche mitzuerleben, wie eine Orgel gestimmt wird. Bei der Anzahl von Pfeifen eine langwierige Arbeit. Doch so lange halte ich es nicht aus und laufe die belebte Howe Street weiter. Bei herrlichem Sonnenschein tummeln sich Menschen aus aller Welt auf der Waterfront Promenade. Vom Canada Place aus kann man die weißen Segeldächer des Pier Pavillon und die großen Schiffe bewundern, dahinter erschließt sich ein herrlich blauer Fjord, umrahmt von einer modernen grün durchzogenen Skyline einer jungen lebensfrohen Stadt. Ich hebe mit einem kleinen Wasserflugzeug ab, 12 Leute passen da nur rein, leider darf ich nicht neben dem Piloten sitzen. Doch auch so bin ich begeistert, schließlich fliege ich zum ersten Mal mit so einer Maschine. Die wie auf dem Reißbrett angelegte Stadt leuchte in Silber und Grün, die vielen bunten Schiffe auf der Reede schaukeln im blauen Meer, hinter der geschwungenen Küstenline breitet sich ein grüner Teppichbogen aus, ein kurzes aber einmaliges Schauspiel für mich. Weiter im Programm geht es mit einer Stadtrundfahrt, schließlich muss ich das gute Wetter ausnutzen und alles kann ich auch nicht zu Fuß erkunden. Die Fahrt geht durch die Altstadt Gastown an der Dampfuhr vorbei, dann der Robson Street, der Hauptgeschäftsstraße entlang, am Pacific Center, an Kirchen, Museen und anderen bedeutenden und schönen Gebäuden vorbei. Mich beeindruckt, die Vielfalt der unterschiedlichen Bauarten, kein Haus gleicht dem anderen, doch fast alle Wohnhäuser haben reich bepflanzte Balkone. Eine wirklich grüne Stadt. Im Stanley Park steige ich bei den Totempfählen aus. Diese Originale hier in ihrer bunten Vielfalt zu sehen, beeindruckt mich sehr. Sie worden und werden aus einem Riesenlebensbaum gefertigt und beinhalten in ihren Darstellungen verschlüsselte Botschaften, oft auch mehrdeutig, haben aber keine religiöse Bedeutung. Vielmehr repräsentieren sie die Stellung der Familie und erzählen deren Geschichten. Diese hier sind von dem Haida-Stamm, aber auch andere nordwestliche Küstenstämme haben diese Kultur gelebt bzw. lassen sie wiederaufleben. Das angrenzende Aquarium lasse ich mir nicht entgehen und tauche ohne Tauchanzug in die blaue Welt der Fische, Korallen und Sehsterne ab. Im Außenbereich kann ich zwei kampfwütige Seelöwen aus nächster Nähe fotografieren, die anderen liegen gelangweilt herum. Dabei wird mir schmerzhaft bewusst, welch ein Unterschied es macht, die Tiere in freier Wildbahn oder in Gefangenschaft zu sehen. Etwas betreten steige ich wieder in den Bus und lass mich durch die Stadt bis zu meinem Hotel fahren.

P.S.

Abends erfahre ich, dass es Anja und Yvonne über die Capilanon Suspension Bridge geschafft haben. Diese 140 m lange Hängebrücke befindet sich über einem 70m tiefen Canyon. Glückwunsch, das steht morgen auf meinem Programm.