3. In Mals (Vinschgau) bei Marion und Goggo


 

17.07.2017 Mals in Südtirol

Die erste Woche in Mals bei Marion und Goggo und ich möchte hier eigentlich garnicht mehr weg. Zwar verstehe ich nicht alles, der Südtiroler Dialekt ist schon eigenartig, aber das tut der Verständigung keinen Abbruch und bringt so manchen Lacher hervor. Mals liegt im Vinschgauer Tal, unweit des Etschradweg zwischen Reschenpass und Meran. Außer dem herrlichen Rundumblick auf die Berge birgt Mals z.B. in der kleinen Sankt-Benedikt-Kirche bestens erhaltene Fresken aus der Zeit um 800 n. Ch., diese sollen die ältesten im deutschen Sprachraum sein.

Marion und Goggo betreiben im Nachbarort seit einem halben Jahr die OK-Cafe-Bar-Agums in 39026 Prad am Stifslerjoch, Agums 40. Sie liegt strategisch günstig an einer viel befahrenden Straße und wird von den Einheimischen sowie von den Auto-, Motorrad- und Radreisenden gern zur ausgiebigen Rast genutzt. Sie haben fast jeden Tag geöffnet, Montag gönnen sie sich aber ihren wohlverdienten Ruhetag. Am vorigen Montag sind sie dann auch gleich mit mir - zum Eingewöhnen - auf die Matscher Kuhalm gewandert. Diese liegt über dem Matscher Tal in 2050 m Höhe direkt am Vinschgauer Höhenweg. Der Pächter hat mit viel Liebe und Einfallsreichtum die Alm zu einem wahren Kleinold  für Mensch und Tier verzaubert. Uns hat er einen selbstgemachten Zirbelschnaps serviert und Marion das Rezept verraten. Hauptbestandteil sind natürlich die Zirbeln, das sind die Zapfen der Zirbelkiefer, die selber geerntet werden müssen. Auf den Geschmack gekommen, haben wir auf den Rückweg natürlich gleich nach den Zirbelkiefern Ausschau gehalten und auch einige Zirbeln mit vereinten Kräften geerntet. Das Ansetzten des Schnaps ging dann schnell, nun heißt es aber einpaar Wochen bis zur Verkostung warten.

Dienstag suchte ich den Schuster in Mals auf, in der Hoffnung, das er meine Wanderstiefel, die bei der Zugspitzbesteigung die Sohlen hängen ließen, reparieren könnte. Doch da das Alter schon an ihnen nagte, musste ich mich wohl oder übel von ihnen trennen und mir neue zulegen. Da meinen Füßen die Wahl nach einer Stunde immer noch schwer fiel, durfte ich zwei Paar mit nach Hause nehmen, nach 3 Tagen haben sie sich dann endlich entschieden. Die Probewanderung hinterm Haus den Sonnensteig hoch und runter haben sie bestanden, so dass ich wieder auf Tour gehen konnte. Bei der Wanderung am Mittwoch mit Goggo zum Föllakopf reichten aber noch die einfachen Wanderschuhe. Früh um 6:30 Uhr sind wir bis Schlinig (1738m) gefahren und zur Sesvennahütte auf 2256 m hoch gewandert. So nach und nach haben wir unser gemeinsames Tempo gefunden, wobei Goggo mich auf die Besonderheiten am Wegesrand aufmerksam machte und mir einiges aus der heimischen Geschichte und seiner eigenen Jugendzeit erzählte. Für mich als "Flachlandtiroler" und Stadtmensch eine ganz andere Welt. Bis zum Gipfel, der laut Karte 2878m und laut Gipfelbrett 2953m hoch sein soll, war es ein abwechslungsreicher Weg. Da wir fast allein unterwegs waren, konnten wir Murmeltiere und sogar eine Herde mit ca. 10 Steinböcken, Geissen mit ihren Jungtieren, sichten. Sie standen auf einem kleinen Felsvorsprung und ließen sich nicht von uns stören, schön, dass man diese Art vor dem Aussterben retten konnte. Auch über die hier typischen aber seltenen Blumen wie den blauen Enzian und sogar das Edelweiss konnte ich mich mit Goggo`s Hilfe erfreuen. Zurück auf der Sesvennahütte kaufte ich mir eine kleine Tasche, original aus Nepal (auch ein Land meiner Träume). Ein junger Nepalese steht nämlich für zwei Monate in der Küche der Sesvennahütte und bringt aus seiner Heimat diese Taschen mit. Zurück in Nepal arbeitet er dann als Sherpa für die vielen anderen Bergsteiger.

Zum Geburtstag von Marion füllte sich ihre Bar mit vielen lieben Freunden und Bekannten, beim lauen Sommerabend wurde viel gelacht. Es war schön mit anzusehen, wie sie hier ein kleines Paradies geschaffen haben und die Einheimischen gern hierher kommen. Man braucht keine großen Geschenke, ich denke, solch ein schöner Abend ist viel mehr wert. Zur Feier des Tages durfte ich mich sogar beim servieren oder Bier zapfen ausprobieren. 

Am Sonnabend fuhr ich dann, nachdem Goggo`s Bruder bei Onkel Tom nach dem Quietschen nachschaute und ihn für "gesund" befand, nach Sulden. Onkel Tom hat auch wirklich nicht mehr gequietscht und alle Kehren vortrefflich gemeistert. Vielleicht fühlt er sich hier auch so wohl wie ich. In Sulden hatte ich die Qual der Wahl, welcher Berg, welche Hütte sollte es sein? Ich entschied mich, mit dem Lift bis zur Kanzel zu fahren und zur Düsseldorfer Hütte aufzusteigen. Meinen neuen Schuhen wollte ich noch nicht all zu viel zumuten. Von der Kanzel und von der Düsseldorfer Hütte (2721m) aus konnten wir das gegenüberliegende Panorama mit Ortler, Monte Zebru und Königsspitze bewundern. Leider waren alle drei mit einer Mütze bedeckt, nur die Königsspitze lüftete für einen Augenblick majestätisch ihr Haupt. Im Stillen verneigte ich mich dankend vor ihr. Als der Guide einer Wandertruppe erklärte, wie man sich mit Kompass und Karte, ohne GPS-Gerät, am Berg zurecht findet, hörte ich interessiert zu, eine Auffrischung kann ja nicht schaden, obwohl ich keinen Kompass mehr bei mir trage.

Sonntag holte ich meine Rad aus dem Dornröschenschalf und fuhr auf dem Etschradweg nach Schulderns zur  Churburg. Diese wird seit hunderten von Jahren von der Familie Trapp bewohnt, auch heute noch ist diese hochmittelalterliche Burg in den Sommermonaten ihr Wohnsitz. Ein Teil davon ist aber für Besucher geöffnet. Zu sehen ist die weltweit größte private Rüstkammer mit einer fast vollständigen Ausrüstung für eine komplette Burgbesatzung, insgesamt mehr als 50 vollständig erhaltene Rüstungen, davon ca. 25 Rüstungen die die Trappherren selber getragen haben. Diese wiegen so zwischen 20-40 kg, da musste ich dran denken, das unsere Polizisten in Hamburg bei G20-Treffen auch eine schwere Rüstung trugen. Beeindruckt hat mich aber auch der Laubengang, an deren Decke sich ein Stammbaum über mehrere Generationen rankte. Da die Burg nie eingenommen oder durch Feuer zerstört wurde, sind auch noch alle alten Schriften, Bücher und Möbel erhalten, was für ein unschätzbarer Reichtum. Und zur Feier des Tages schaute auch der Ortler mit seinem weißen Haupt über das weite schöne Tal. 

 

20.07.2017 zur Oberetteshütte

Eine Wanderung durch das Matscher Tal zur Oberetteshütte hoch und am nächsten Tag über die Saldurseen wieder runter. Da diese Gegend als "Klein Tibet" beschrieben wurde, bekam sie von mir unter den vielen Wanderangeboten den Zuschlag. Denn: der Weg ist das Ziel. Ich wurde nicht enttäuscht. Bis zur Hütte habe ich es noch vor dem einsetzenden Gewitter geschafft, das Abendessen war ein phantastisches 3-Gänge-Menu, das Lager hatte ich für mich allein. Am nächsten Tag die Saldurseen bei über 2000 m über dem Meeresspiegel, einfach ein Traum, erst noch im Regen aber dann konnte ich mich kaum satt sehen. Zum Teil versandte oder glasklare tiefe Seen, und gleich dahinter wie abstürzend der Horizont mit seiner Bergkulisse. Auch hier tobte der 1. Weltkrieg, ein Schützengraben zeugt davon. Beim Übergang kamen mir die Schafe hinterher, dann wäre ich bald den Schafen den schmalen Steig gefolgt. Runterwärst die tosenden Wasserfälle, bunte Wiesen, verwunschene Wälder und Schmetterlingstanzen.

Natur pur, mehr brauche ich nicht zum glücklich sein.