Die Zugspitze ruft - Der höchste Berg Deutschlands - 2016

 -   Wenn du runter kommen willst, dann steig auf einen Berg   -

 

04.08.2016

Startbereit und voller Erwartung stehen wir in Hammersbach auf den Parkplatz. Wir, das sind Cathleen, Bo, Andreas, Ede und ich. Hinzu stoßen noch Micha mit Sohn und Winfried. Mit voll gepackten Rucksack geht es gleich durch die Höllentalklamm bis zur Höllentalangerhütte. Die Wetter-Prognose für morgen sieht zwar nicht rosig aus, aber wir sind einfach mal optimistisch. 

Außer Micha wollen wir alle zum ersten Mal die Route durch die Höllentalklamm und über den Gletscher zur Zugspitze hoch. Der Aufstieg ist bei einem Höhenunterschied von über 2200 Metern gespickt mit anspruchsvollen Klettersteigpassagen und abwechslungsreicher Natur.

Also lasst uns das Abenteuer beginnen.   

 

Wie die alten Römer schon sagten: Es führen viele Wege nach Rom.

So auch zur Zugspitze. Insgesamt gibt es vier bzw. fünf Routen, der lange Weg durch das Reintal, die kurze Route durch das österreichische Schneekar und den Stopselzieher, den mittleren Weg von Ehrwald über das Gatterl und die anspruchsvolle Variante durch die Höllentalklamm und über den Gletscher. Dazu noch die alpine Route über den Jubiläumsgrat. 

Mit Cathleen habe ich es schon 2009 über den Stopselzieher auf die Zugspitze geschafft, nun wollten wir es über die anspruchsvollere Route versuchen.

Nach einigen organisatorischen Dingen, wie Auto umsetzen und Ausrüstung checken, konnte es endlich um 16 Uhr losgehen. Bei strahlender Sonne und guter Laune ging es voller Elan zur Höllentalklamm, den Eingang erreichten wir nach 1 1/2 Stunden lockerem Marsch. Eine Klamm ist die bayrische Bezeichnung für eine enge Schlucht mit teilweise überhängenden Felswänden, in der das Gletscherschmelzwasser stellenweise recht reißend fließt. Und was das Wasser für eine Kraft hat sahen wir an den vielen schönen Gesteinsformationen, die sich über tausende von Jahren gebildet hatten, viele verschlungende Tunnel, tiefe Rinnen, bizarre löchrige Gebilde, die Natur ist der einfallsreichste Künstler. Irgendwann ist aber auch diese Klamm zu ende und nach einer weiteren Stunde erreichten wir die nagelneue Höllentalangerhütte auf 1387m Höhe. Die 1893 erbaute alte DAV-Hütte wurde 2014/15 durch eine völlig neue ersetzt. Das Holz roch noch ganz frisch, alles war hoch modern aber trotzdem gemütlich. Die Stiefel wurden im Schuhraum verstaut, bei der Anmeldung jeder ins Hüttenbuch eingetragen und danach das Lager in Beschlag genommen. Ein Zimmer mit 8 Schlafmöglichkeiten (4x oben und 4x unten). Oropax gehört in jedem Wanderrucksack.

Beim Essen legte uns der Wirt dann den Wetterbericht für den morgigen Freitag vor: Über Nacht sollte ein Gewitter kommen mit Temperaturabfall, starken Dauerregen und Schneefall bis 2500 m runter. Der Aufstieg war also fraglich. Mit dieser Ungewissheit versuchten wir dann irgendwie gemeinsam einzuschlafen.   

               

 

05.08.2016

1. Teil: Der Aufstieg

Wer den Abend zuvor dem Wirt nicht glauben wollte, wurde des Nachts eines Besseren belehrt. Es krachte ganz schön doll im Gebälg, zum Glück lagen wir trocken eingekuschelt in unserem Lager. Früh war dann das niedliche Bächlein vor der Hütte zu einem wildschäumenden Strom mutiert. Wir redeten uns ein, dass der Regen irgendwann aufhört, kalt und windig war es nicht und wir schließlich nicht aus Zucker. Plan B wäre einen Tag auf der Hütte Karten spielen und am Samstag rauf. Einstimmig sind wir um 9 Uhr los, wir hatten nun 7,5 Std. Zeit bis 16:30 Uhr zur letzten Bahn ins Tal. Also, auf geht´s....

 

Regensachen sind dazu da, dass man sie anzieht und nicht im Rucksack mit sich rumschleppt. Ordentlich angezogen ging es im Gänsemarsch über den mutierten Bach die Wiesen hoch, da kamen uns zwar keine Gänse aber dafür Schafe entgegen. Die wollten wohl bei dem Wetter nicht auf dem Berg bleiben. Das hätte uns zu denken geben sollen. Egal, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Trotz dichtem Regenvorhang genossen wir die schöne ansteigende Strecke bis zum Talende, sahen die Hütte immer kleiner werden und die Bergkämme vor uns steil aufragen. An der Felswand angekommen, wurden Gurt und Helm angelegt und die leichte Kletterei konnte beginnen. Das war nicht weiter schwierig, auch nicht bei dem Wetter, zumal wir ja noch voller Energie waren. Auch die "Leiter" an der Steilwand machte uns allen Spass. Die kleinen Rinnsäle, die dabei am Fels runter liefen, störten uns nicht. Gegenseitig wurden Fotos geschossen, in der Hoffnung, dasss die Kamera die Nässe aushält. Die nächste Steilwand ließ nicht lange auf sich warten, gespickt mit Trittstiften ging es quer auf dem "Brett" an der Felswand entlang, die Aussicht senkrecht runter bis ins Tal war schon grandios und muss bei gutem Wetter unbeschreiblich sein. Die weiter oben folgende Kletterei durch eine schrofige Rinne verlangte uns nun etwas mehr an Konzentration ab, zumal der Regen immer wieder in seiner Intensivität zunahm und die Kräfte so langsam nach ließen. Mit den nassen Handschuhen am glitschigen Fels den richtigen Halt zu finden, war nicht immer einfach.

 

Hier fragte uns Micha, ob wir weiter oder bei dem schlechten Wetter lieber umkehren wollen. Doch von Umkehr wollte keiner etwas wissen. Also folgten wir nun unterhalb der Riffelköpfe in kurzen Serpentinen einen schmalen, teilweise ausgespülten kräfteraubenden Pfad. Der Wind nahm zu, alle waren bis auf die Knochen nass, die lustigen Sprüche wurden weniger und die Gruppe zog sich immer mehr auseinander. Den richtigen Weg durch das folgende Kar zu finden, war nicht ganz so einfach, denn keine Gruppe ging vor oder hinter uns, wir waren die einzigen am Berg. Die anstrengende Querung durch das doch sehr steil abfallende Geröllfeld fand ich persönlich am gefährlichsten, weil, wenn es rutscht, dann rutscht es und da ist dann kein Fels zum festhalten. Um so erleichterter war ich, als die Passage hinter mir lag und es nun über den etwas flacheren Schottermatsch zum Gletscher ging. Doch eigentlich waren wir ja schon auf dem Gletscher drauf, denn unter dem Schotter sah ich ab und zu Eis durch schimmern.

 

 

2. Teil: Der Abstieg

Als ich zu Micha und den Männern aufschloss, entschied er dann doch zum Rückzug. Vor uns lag noch der Gletscher sowie der steile kräfteraubende Klettersteig. Aus dem Regen wurde Schnee. Und die Zeit wurde knapp. Wenn wir da oben wegen irgendetwas nicht weiter kommen und hängen bleiben, würde keine Hilfe mittels Hubschrauber bei dem Wetter kommen und wir würden jämmerlich in den nassen Klamotten (er)frieren. Den anderen riefen wir zu, sie sollten gleich umkehren und nicht erst zu uns aufschließen. Ich war froh, das Micha die Entscheidung getroffen hatte und keine Diskussion aufkam.

Die Natur rächt sich, wenn man sich überschätzt und sie herausfordern will. Es geht auch nicht darum, einen Berg zu bezwingen und Gipfel zu sammeln wie Briefmarken oder Pokale. Nein, wir sind nicht hier um die Natur zu bezwingen, wir wollen mit ihr im Einklang sein, ihre Schönheit und Einzigartigkeit erfahren, voller Demut den Hauch der Naturgewalten tief in uns aufnehmen und daraus neue Lebensenergien schöpfen, egal, ob mit oder ohne Gipfel ...

Der Abstieg war dann nochmal eine Herausforderung, nicht umsonst sagt man, das dabei die meisten Unfälle passieren. Aber, um es vorweg zu nehmen, wir sind alle heil runter gekommen. Ich zog mir trockene Handschuhe an und versuchte, durch das Geröll runter zu rutschen ohne hinzufallen. Etwas heikel wurde es in der schmalen Rinne, nun bei Nässe abwärts, aber Micha half jeden, den richtigen Tritt zu finden. Wo wir noch hoch zu die kleinen Bächlein bestaunten, waren jetzt ernstzunehmende Wasserfälle geworden. Am "Brett" ging es ja noch, aber an der "Leiter" schoss es wie aus einem Feuerwehrschlauch an uns runter. Nun waren auch meine Schuhe mit Wasser gefüllt und die letzte trockene Stelle endgültig verschwunden. Wenn ich stehen blieb, kroch mir die Kälte in den Gliedern.

An der Hütte trennten wir uns, Micha mit Sohn und Winfried blieben dort und hofften ein Nachtlager zubekommen und wir anderen legten nur unsere Klettergurte ab und liefen weiter runter ins Tal. Durch die Klamm war dann nochmal ein Erlebnis, die Wassermassen donnerten mit tosendem Gebrüll um das zehnfache mehr als am Vortag runter, einfach gigantisch. Es regnete immer noch, in meinen Schuhen schwappte es hin und her, der Rucksack wurde durch die Nässe immer schwerer und die Knie schmerzten.

 

Trotz allem habe ich jeden Meter dieser Tour genossen, einfach draußen sein, den Fels berühren, unter meinen Füßen spüren, meine Lunge mit frischer Bergluft verwöhnen, die Weite aufnehmen, mit eigener Kraft immer höher steigen, den Regen, Wind und Sonne (ohne trennende Fensterscheibe) auf der Haut spüren und begreifen, wie wenig man braucht, um glücklich zu sein ....  

 

Abends im Hotel waren dann alle nach Sauna und einem guten Essen wieder mit dem Berg ausgesöhnt. Auf jeden Fall, so war unsere einstimmige Erkenntnis, wird keiner von uns diesen Tag so schnell vergessen. Wir haben erfahren, wo und wer wir sind. Und wenn alles klappt, werden wir im nächsten Jahr wieder vorbei schauen.

 

Tagesstrecke: ca. 1000 m Aufstieg und ca. 1500 m Abstieg in 8 Stunden bei strömenden Regen - bei Sonne kann das ja jeder ;)

 

P.S.

Micha mit Sohn und Winfried sind am nächsten Tag hoch und haben den Gipfel im Schnee erreicht. Glückwunsch und Berg Heil. 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    chrissi (Donnerstag, 11 August 2016 14:16)

    Hut ab Regenkeep auf...
    Super Sache, die ihr da bewältigt habt , die Bergwelt mit seiner Ruhe genossen bzw. die raue Natur auf euch prasseln lassen.

    Ja , so sind Berge, um so besser man bekommt auch mal seine Grenzen aufgezeigt. Toller besonnener Bergführer euer Micha.

    Ich kenne die Zugspitze vom Ski fahren und bewundere euch sehr, wie ihr bei Regen und Schnee bis zum Gletscher seid.
    Also Berg Heil bis zum nächsten Mal die Zugspitze reist euch nicht weg.
    Bloggerin Ilona danke für das Teilhaben an eurer Tour.

    vlG von Erzgebirglerin Chrissi

  • #2

    Helga L. (Dienstag, 16 August 2016 19:32)

    Mit Begeisterung las ich von Eurer strapaziösen Tour zur Zugspitze und beim Betrachten der Fotos war ich sehr gerührt und stolz, daß Du so ein interessantes Hobby pflegst. Viel Kraft und Gesundheit für neue Taten! Lg

  • #3

    Marion (Sonntag, 21 August 2016 22:30)

    Hallo Ilona! Respekt! Aber wir sind in erster Linie froh, dass Du (ihr alle) wieder gut runter gekommen seid. Tolle Tour- nächstes Mal bei besserem Wetter, dann kannst Du alles auch genießen. LG Goggo & Mary