auf Vancouver Island

 -- die größte Insel an der Westküste von Nordamerika -- ein Naturwunder der besonderen Art --

 

15.09.2018 letzter Tag auf der Insel und mit der Wandergruppe

Gestern Abend hatten wir bei Uclelet zum letzten Mal unsere Zelte aufgestellt, zum letzten Mal Sandwich in der Pfanne getoastet und mit kanadischen Bier angestoßen. Marlies fand ihre Salami und ich meinen Senf. Irene zeigte voller Stolz ihre Fotos von den Bären, die sie beim Bärwachting geschossen hatte (ich hoffe, du schickt mir eins, bitte liebe Irene).

Trotz Nieselregen standen wir noch lange zusammen und haben die gemeinsamen Wochen Revue passieren lassen.

Und nun heißt es zum letzten Mal Zelte abbauen und mit der Fähre nach Vancouver fahren. Die lange Busfahrt wird mit ein paar Stopps aufgelockert, die einige zum letzten Souvenir shoppen nutzen. Doch zum Abschluss erwartet uns mit dem Mac Millan Provincial Park ein wahres Highlight der Insel. Der sehr kleine Park, auch Cathedral Grove genannt, liegt direkt am Highway 4 und grenzt am Cameron Lake an. Wir halten auf dem überfüllten Parkplatz und tauchen in einen einmaligen Märchenwald ein. Hier stehen über 800 Jahre alte Douglasien, viele 70-90 Meter hoch mit fast 9 Metern Umfang, aber auch ebenso alte Hemlocktannen und Riesenlebensbäumen, auch Western Red Cedar genannt. 1997 verwüstete ein verheerender Sturm das Gebiet, etwa zehn Prozent der Bäume fielen ihm zum Opfer. Regenwaldpfade schlängeln sich zwischen den gefallenen Riesen, sie haben den Baldachin geöffnet, spenden Licht und Raum für junge Triebe. Dichte Teppiche aus Moosen und Flechten bedecken sorgsam die Gefallenden, Farne zeigen den jungen den Weg zum Licht. Eine grüne Kathedrale mit majestätisch zum Himmel ragenden Säulen, ein von der Sonne beleuchtetes Grünes Gewölbe umspannt den Raum, Erinnerungen im Laub versteckt, Geschichte in Jahresringen, uralte Klänge wehen zwischen den Zweigen. Man könnte meinen, dies sei der wirkliche Jurassic Park. Ich bin ergriffen und dankbar zugleich. Ich hoffe, dass diese unberührte aber auch fragile Schönheit des Grove noch lange erhalten bleibt. Yvonne versucht ein Selfie mit dem Größten der Recken, ich stelle mich zwischen zwei mächtigen Säulen, doch die besten Fotos können nicht wiedergeben, was hier zu sehen und zu spüren ist.

Ein permanentes Hupen katapultiert mich in die Realität zurück, auf dem Highway fährt eine Kolonne Motorräder vorbei. Wir fahren weiter nach Nanaimo und begeben uns auf die Fähre. Viele Schiffe kreuzen unseren Weg, das Meer ist ruhig, der Himmel in Aufruhr, eine Wolkenarmee kämpft gegen die Sonne, räumt mit weißen Fahnen das Feld. Als ich zur Insel zurückschaue, wird sie von einem zarten Regenbogen umspannt, einen besseren Abschiedsgruß hätte ich mir nicht wünschen können.

In Vancouver, Stadtteil Richmond, endet unsere gemeinsame Zeit. Nicht alle sind im gleichen Hotel, einige fliegen morgen wieder in die Heimat zurück, andere bleiben noch ein paar Tage in Vancouver. Gabi und Frank werden noch eine Woche auf einer Ranch verbringen, Oliver fliegt nach Las Vegas. Die Verabschiedung von allen ist herzlich. Von Sam erhalten wir jeder eine Karte mit einer persönlichen Widmung, danke Sam.

Ich mülle mein Zimmer mit all meinen Sachen zu und lege sie zum Trocknen aus, denn eine Waschmaschine hat das Hotel nicht. Derweil genieße ich wieder ein wolliges Wannenbad und lass die Gedanken schweifen: Drei Wochen campen liegen nun hinter uns, das waren randvoll gefüllte Wochen. Wir sind durch die Gebirgszüge der Rockies und durch feuchtwarme Regenwälder gewandert, zu Gletschern und Bergseen aufgestiegen und haben in Tälern geschaut, wir sind auf endlosen Highways und durch verschlafene Ortschaften gefahren, konnten Tiere von fern und nah bestaunen, wir haben das Salz des Meeres auf unserer Haut gespürt und die Weite im Auge verloren. Wir durften all die zauberhaften Naturschönheiten in ihrer atemberaubenden Pracht genießen, mir fallen keine Wörter mehr dazu ein, ohne mich zu wiederholen.

Fazit: ohne Worte!

P.s. Morgen fängt mein Abenteuer in Vancouver an!

 

Bilder zum 15.09.2018 letzter Tag auf der Insel und mit der Wandergruppe

 

13.-14.09.2018 mit dem Kajak auf dem Pazifik

Was haben wir uns gestern Abend die Köpfe heiz geredet, wie das Paddeln wohl ablaufen wird, Vorfreude und Unsicherheit hielten sich die Waage. Irene und ich wollten unbedingt einen Neoprenanzug haben, was Sam ungläubig verneinte. Doch zuerst geht die Fahrt wieder zurück zur Ostseite der Insel, unterwegs kommen wir an einer riesigen Baustelle vorbei. Als wir die waghalsigen Bagger am steilen Hang sehen, wird uns himmelangst. Tofino, ein idyllisches Fischerdorf auf der Halbinsel im Clayoquot Sound, begrüßt uns mit Sonne pur und Meeresblau. Am knallroten Bootshaus werden wir schon erwartet und gleich eingekleidet, kein Neoprenanzug, nur Rettungsweste, Schuhe und eine blaue Spritzdecke, die wir uns wie einen Rock mit Hosenträgern anziehen, nur das der Rock vorne länger ist. Doro vertraut sich meiner nicht vorhandenen Steuerkünste an. Auf dem Yukon hat ja Cathleen gesteuert, hier sitze ich nun hinten und muss mit den Füssen steuern. Da ich natürlich auch fotografiere, kommen wir manchmal etwas von der Linie ab. Doch wir haben schnell den Rhythmus raus und gleiten am Hafen vorbei durch den Sound. Neben uns finden Anja und Yvonne ihren Spaß, Frank steuert seine Gabi sicher durch die Fluten, Marlies und Irene haben ein paar Verständigungs-schwierigkeiten, schaffen aber schnell den Anschluss, Brigitte ist etwas zaghaft (es ist ihre allererste Paddeltour), doch Oliver gibt ganz in Ruhe die Kommandos. Als sie gut in Fahrt sind, lässt er sie paddeln und futtert seinen Lunch, dieser Schlawiner. Unsere beiden Guides sind junge Mädchen, die mit uns an einer kleinen Insel Halt machen. Dort gehen wir in unserem Lendenschurz und Neoprenschuhen auf den nassen Stegen unter Riesenzedern bis zu einer über 2000 Jahre alten Zeder. Nach weiteren entspannten Paddelschlägen legen wir auf einer der unzähligen grünen Inseln an und tragen unsere Boote bis zum Waldesrand. Einige schauen ungläubig, als es heißt, hier übernachten wir und wollen diskutieren, doch das Zodiak bringt schon Sam mit unseren Sachen. Ich suche mir gleich neben den Booten einen Platz für mein Zelt, denn durch die Algenränder ist leicht zu erkennen, dass die Flut den Strand halbieren wird. Leider muss das Zodiak wegen mir noch einmal kommen, meinen Schlafsack hatte ich vergessen, aus den Bus zu legen, sorry. Am Lagerfeuer wird es dann bei einem leuchtenden Sternenhimmel richtig gemütlich. Anja und Irene zeigen uns noch mehr Sterne über ihre Sternen-App. Wir sind ganz allein auf einer kleinen unbewohnten Insel vor der kanadischen Küste auf dem Pazifik, für mich ein bleibendes Erlebnis. Zufrieden krabble ich in mein Zelt und versuche, die lästigen Sandflöhe draußen zu lassen.

Kurz bevor die anderen aufstehen, schleiche ich mich in den Wald, denn da steht in einer kleinen Ecke unser Campingklo, prima Idee von Sam, besser, als sich auf den Spaten zu stützen. Die Flut hat uns verschont, kein Zelt ist abgesoffen, beim Frühstück schwimmen ein paar Robben vorbei. Unter der Plane vor dem einsetzenden Regen geschützt, warten wir auf das Zodiak, packen dann alle Sachen rauf und steigen wieder in unsere Boote. Es nieselt leicht vor sich hin, trotzdem paddeln wir noch eine schöne Runde um unsere Insel, bewundern bunte Seesterne an den Klippen, kämpfen uns durch den Algenteppich und meistern die Wellen, die uns vom offenen Meer erreichen. Wieder zurück in Tofino muss es schnell gehen. Wir starten in zwei Gruppen zum Bär- und Walewachting. In dicken roten Overalls und gelben Ostfriesennerz eingemummelt, geht es bei sonnigen 20 Grad mit dem Zodiak aufs offene Meer. Ich sitze mit Anja vorn. Unser Kapitän ist ein echter First-Nation, sein Sohn fährt das Zodiak zum Bärwachting. Als wir den Ort hinter uns lassen, schießen wir, nein fliegen wir regelrecht übers Wasser, das ist ein Heidenspaß, den wir vorn natürlich am besten erleben, auch wenn wir dabei nass werden. Unser Käpt`n weiß wo die Robben faulenzen und steuert draußen auf ein paar Inseln zu. Dort stellt er den Motor ab und wir können sie bewundern. Diese schauen etwas genervt, einige lassen sich ins Wasser gleiten, einige drehen sich einfach um. Es sind die weit verbreiteten Seehunde, die es auch an der Nord- und Ostsee gibt. Etwas weiter auf dem Meer haben wir dann das Glück, von weitem zwei Wale zu sehen. Leider schwimmen sie nur kurz unter der Oberfläche, wohl eine Mutter mit ihrem Jungen, die Fontänen sind zusehen, aber die Rücken- und Schwanzflossen kaum. Doch wir wollen sie bei ihrem Spaziergang nicht stören und drehen ab. Auf einer anderen felsigen Klippe liegen drei sehr schöne Seelöwen, ihr Fell glänzt goldbraun in der Sonne. Es sind bestimmt noch junge Bullen, die noch keinen eigenen Harem haben. Zu guter Letzt freuen wir uns über einen lustigen Seeotter, der sich behaglich im Wasser putzt.

Wunderschön, dies alles sehen und spüren zu dürfen, Meer und Himmel sind eins, verbunden durch Trauminseln, die wie betende Hände aussehen, der Seewind spritzt uns die berauschende Weite ins Gesicht und tiefer, ein Augenblick, der keiner Worte bedarf ...

 

Bilder zu 13.-14.09.2018 mit dem Kajak auf dem Pazifik:

 

12.09.2018 Wanderung zum verbotenen Plateau

Am Waldesrand steht eine Rehfamilie und schaut uns beim Frühstück zu. Leider werden sie durch einige, die für ein paar Handyfotos zu nah rangehen, verscheucht. Wir machen uns mit Einsetzen des Regen vom Acker und fahren heute zu einer ganz besonderen Wanderung in den Strathcona Provincial Park. Es ist der größte Park auf der Insel und zugleich der älteste von British Columbia (1911). Sam will uns heute auf das Fortbidden Plateau, das verbotene Plateau führen. Dies ist eine hüglige Hochebene mitten im Regenwald, eingerahmt von offenen Sumpfgebieten und dichten Wäldern. Das beliebte Skigebiet um den Mount Washington grenzt gleich an. Doch heute ist es warm, so dass ich ein kurzes Shirt tragen und die Hosenbeine hoch krempeln kann. Wir sind diesmal fast allein unterwegs, kein Massenauflauf wie am Lake Louise, was das Erlebnis noch intensiver macht. Erst geht es über lange Holzstege durch das Sumpfgebiet, Schilder verweisen auf besondere Pflanzen, jeder Botaniker hätte seine Freude daran, ich freue mich auch über die enorme Vielfalt, auch wenn ich nicht alle mit Namen benennen kann. Nach einem lockeren Anstieg durch den Wald erreichen wir einen kleinen See, der Nebel zieht dahinter vorbei, der verschlafene Steg lädt zum Baden ein, doch wir gehen weiter über die mit Tau getränkten Wiesen. Bei unserem Lunch am zweiten See bekommen wir gefiederten Besuch. Ein paar hübsche Meiselhäher fliegen, in der Hoffnung auf ein paar Krümel, um uns herum. Oliver lockt sie mit seinem Brot, zu mir kommt ein Mutiger auch ohne Lockmittel auf meine Hand geflogen. Aug in Aug beäugen wir uns.

Am dritten verwunschenen See, dem Lake Helen Mackenzie, benutze ich endlich das wichtige Häuschen, Sam hat uns diese hier wärmstens empfohlen. Nun weiß ich auch warum. Diese Plumsklos haben eine besondere „Spülung“. Mit den Fuß muss man fünfmal auf das Pedal unten rechts treten, dann schiebt sich das Geschäft auf einer Gummimatte weg. Und das alles luftdicht und ohne Wasser, super Idee. Uwe nutzt die sonnige Pause still und heimlich zum Baden, ich beneide ihn ein wenig, ich habe nicht an Badesachen gedacht.

Nun erzählt uns Sam auch endlich die Legende vom „Verbotenen Plateau“:

Wenn die Comox, ein hier ansässiger Küstenstamm, Räuber von anderen Küstenstämmen erspäht hatten, brachten sie ihre Frauen und Kinder zu ihrer Sicherheit auf diese Hochebene. Einmal, während eines Überfalls durch die Cowichan, waren die Frauen und Kinder spurlos verschwunden. Als ein Mitglied des Stammes die Frauen und Kinder auf dem Forbidden Plateau suchen wollte, fand er rote Flecken im Schnee und auf einem nahen Felsen und er nahm an, dass das Blut von den Familienmitgliedern stammte. Seitdem war die Hochebene ein Tabu, denn es bestand der Glaube, dass die Hochebene von bösen Geistern bewohnt sei, die diejenigen verzehren würde, die die Frauen und Kinder gesandt hatten.

In der Hoffnung, dass es keine bösen Geister mehr gibt, oder wenigsten die guten die Oberhand behalten, verlassen wir diesen verwunschenen Ort und steigen durch einen urigen dichten Wald wieder ab. Da die Bäume steil am Hang stehen, sind sie wie ein J gebogen, über einige dicken Schaukeln hangeln wir uns rüber. Ich lasse mich zurückfallen, auch in Raum und Zeit, halte Zwiesprache, was für Geschichten hier wohl drin stecken …  

Zurück im Camp gehe ich mit Gabi, Frank und Uwe im Pazifik baden. Wir müssen weit rauslaufen, doch das Meer kommt uns langsam entgegen. Die kleinen Muscheln in meiner Hand lasse ich wieder ins Wasser. Ich spüre das Salz auf meiner Haut und den Sand zwischen meinen Zehen und sehe mehr, als meine Augen aufnehmen können …      

 

Bilder zu 12.09.2018 Wanderung zum verbotenen Plateau:

 

11.09.2018 Botanical Loop Trail und nach Parksville

Im Bus dampft es wie in einer Sauna, feuchte Handtücher und nicht trocknen wollende Regenjacken liegen über den Lehnen verstreut. Dessen ungeachtet fahren wir auf dem Highway 14 an der Westküste bis zum äußersten Zipfel des Juan de Fuca Marine Trail. Der ganze Trail ist 47 km lang und in 4 Tagen zu schaffen. Wir picken uns bei Port Rentfrew mit dem Botanical Loop Trail ein kleines aber feines Sahnestück heraus. Es ist ein dreistündiger Rundweg in einem einzigartigen Naturschutzgebiet durch einen noch intakten Regenwald und zum Botanical Bay. Zum Glück ist gerade Ebbe, so dass wir auf den schmalen Sandstein- und Granitausläufern in die Gezeitenlachen schauen können. Die sind wie Schmuckkästchen mit bunten Meerestieren gefüllt, ein Einsiedlerkrebs zappelt unter seiner Muschel, rote Seesterne und stachlige Seeigel teilen sich das bisschen Wasser, die dicken Seegurken erinnern an Nacktschnecken. Klitschig gelbbraune Algen, manche so dick wie mein Arm, liegen wie ein Knäuel Taue herum und warten auf die Flut. Uwe und Frank „ringen“ mit den Tauen. Das angeschwemmte Treibholz glänzt in der Sonne. Ruhig winkt das Meer mit weißen Gebetsfahnen. Alles hat sich an den ständig veränderten Bedingungen von Ebbe und Flut angepasst. Auch der Regenwald, neben den Hemlock-Tannen und Rot-Zedern wachsen hier vor allem meersalztolerante Sitka-Fichten. Dieser Bestand hier zählt zu den wenigen noch unberührten Beständen auf der Welt. Mit ihren vielen Wassertrieben scheinen sie sich gegenseitig zu umarmen und uns den Weg zu versperren. Doch wir finden alle wieder heil aus dem Wald, auch die kleinen steilen Passagen werden trotz Regen mit gegenseitiger Hilfe gemeistert. Nach dem Lunch im Bus geht die Fahrt nun über den dichtbewaldeten hügligen Inselrücken zur Ostseite rüber. Zufällig sehe ich einen Radwanderer auf dem Asphalt vor uns, voller Respekt schaue ich ihm hinterher. In Nanaimo kaufen sich Anja und Yvonne im großen Walmart jeder noch eine dicke Isomatte, die hoffentlich auch beide ins Zelt passen. Bei Parksville, einer Kleinstadt mit ca. 12 tausend Einwohnern, beziehen wir am frühen Nachmittag unseren Zeltplatz. Da die Sonne gerade herzhaft lacht, lasse ich erstmal all meine Sachen auf der Wiese trocknen. Marlies pumpt derweil ihre Isomatte mit einem Luftsack auf. Das sieht ganz schön anstrengend aus, da lieb ich mir meine kleine elektrische Pumpe. Zum Meer sind es nur 5 Minuten durch den Douglasienwald, ein gepflegter kilometerlanger Badestrand liegt ausgebreitet und nur für uns vor uns. Die weite Sicht übers Meer hat etwas Beruhigendes. Marlies traut sich als einzige ins Wasser, wir sitzen auf dicken Baumstämmen und schauen was kommt: „Das Meer, schon wieder das Meer“. Sam ist von Einkauf zurück und schimpft mit uns. Beim Aufbau der Küchenplane, die Seile werden um die umstehenden Bäume gespannt, wurden störende Zweige abgebrochen. Dies war überhaupt nicht in Ordnung, das wäre eine Missachtung der Natur. Da hat Sam völlig recht, wie oft brechen wir einfach ohne darüber nachzudenken, Zweige ab, nur weil sie uns stören. Was gibt uns das Recht dazu? Etwas betreten machen wir uns ans Abendbrot, doch beim Hot Canadian, den Uwe sorgsam einschenkt, ist Sam wieder mit uns versöhnt. Die Dunkelheit zwingt uns Lampen auf die Stirn, Marlies findet das „Hotel“ von Irene nicht. Frank meint, schon in Tieraugen geleuchtet zu haben, da verschwindet Doro schnell ins Zelt. Ich stehe im Dunkeln, einige Zelte leuchten wie grüne Neonbirnen, mein Atem dampft, auch in mein Zelt ist schon die Feuchtigkeit gekrochen.

 

Bilder zu 11.09.2018 Botanical Loop Trail und nach Parksville:

 

09.-10.09.2018 Südküste von Vancouver Island (Victoria und Sooke) 

Für die letzte Woche auf Vancouver Island gesellen sich neben Brigitte noch Anja und Yvonne aus der Schweiz sowie Gabi und Frank aus Sachen unserer Truppe zu. Wir lernen sie früh beim Einladen des Hängers kennen. Im Supermarkt helfe ich Gabi und Frank, sich zurecht zu finden, wir decken uns mit Mineralwasser ein, denn das Wasser auf den Campingplätzen ist wegen dem hohen Chlorgehalt nicht sehr schmackhaft. Die Fährüberfahrt dauert ca. 90 Minuten, Zeit zum Kaffee trinken und über`s Meer schauen. Leider sehe ich nur eine Robbe, den Walen ist hier bestimmt zu viel Verkehr. Dafür sind die schroffen Inseln mit ihren bunten versteckten Häusern interessant, Leuchttürme schmücken hier und da Felsklippen. In Victoria, der blumengeschmückten Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia, haben wir Zeit zum Stadtbummel. Ich lass mich durch die Straßen treiben, schlendere am Hafen entlang, am Parlamentsgebäude vorbei, bewundere vor dem Royal BC Museum das Langhaus und die bunten Totempfähle, lausche den Orgelklängen in der Christ Church Cathedral, schaue über die Hecke den alten Herren beim Boccia zu, stöbere im hippigen Schaltplattenladen, verweile im Sankt Ann`s Akademie Park bei zwei majestätisch stehenden uralten Zedern, berühre ihre fasrige rotbraune Haut, lausche ihren Geschichten und spüre innere Zufriedenheit. Zurück im Hafen sehe ich die lustigen Wassertaxis und die Wasserflugzeuge, vielleicht werde ich damit auch mal fliegen. Sam hat in der Zwischenzeit frisch eingekauft und fährt mit uns zum Sooke River Campground. Im Nieselregen stellen wir die Zelte auf, ich mit Doro erst das Oberzelt, dann im Trocknen das Unterzelt. Warum die anderen ihre Zelte unter den Bäumen aufstellen, verstehe ich nicht. Zum Glück gibt es hier einen großen offenen Unterstand, den wir gleich belagern. Marlies hängt ihre Regenjacke in den Bus, in der Hoffnung, dass sie morgen trocken ist. Von Frank erfahre ich, dass er auch Linedance kann. Leider ergibt sich nicht die Möglichkeit, gemeinsam einen Tanz zu wagen. Dies finde ich im Nachhinein schade. Der Spruch: man bereut immer die Dinge, die man nicht gemacht hat, bewahrheitet sich.

Am Morgen werde ich unsanft von einem lauten Geschnatter geweckt, als ob eine ganze Schar Gänse in mein Zelt will. Auf der im Morgennebel dampfenden Wiese neben uns frühstücken sie lautstark. Wir frühstücken im Unterstand. Eine Rehfamilie watet durch den Fluss, zarte Gelb- und Rottöne zäumen sein Ufer, der Indian Sommer meldet sich an. Im East Sooke Regional Park (auf einer Halbinsel, der südlichsten Spitze von Vancouver Island), in dem wir heute einen ganzen Tag eintauchen, offenbart sich uns eine völlig andere Landschaft als in den Rockies. Es empfängt uns ein dichter Regenwald, hier wachsen seit bestimmt Hunderten von Jahren mächtige Vertreter der verschiedensten Baumarten einträchtig nebeneinander. Von den knorrigen Ästen wuchern als hängende Gärten Farne, Flechten und Moose herab, ein ewiges Mosaik aus Grünschattierungen. Der enge Trail windet sich immer wieder an abgestorbenen Baumstümpfen vorbei, die in ihrer Verwitterung bereits wieder neuen Bäumen eine Lebensgrundlage bieten. Am ungewöhnlichsten für mich sind die amerikanischen Erdbeerbäume, sie werfen ihre rote Rinde ab, lassen ihre helle Haut leuchten. Das feuchtwarme Klima lässt hier alles prächtig gedeihen. So könnte ich noch weiter schwelgen, muss aber aufpassen, dass ich nicht ins Stolpern komme. Am Babbington Hill (228m) können wir weit übers Meer schauen, die schmalen Landstreifen am Horizont gehören schon zu den USA. Etwas später am Cabin Point, auf Felsklippen direkt am Meer wie in der ersten Loge sitzend, verweilen wir beim Lunch und lassen die Zeit für uns anhalten. Ein paar Robben und Seelöwen treiben vorbei, lustige Wellen berühren spielerisch die Felsen unter uns, ein Adler beäugt uns aus luftiger Höhe, kleine Segelboote schaukeln auf dem ruhigen Meer.  Sam führt uns weiter an der Küste entlang, mal versteckt im tiefen Wald, mal sich wieder überraschend zum Meer öffnend. Der Weg ist lang und anspruchsvoll, entschädigt aber mit einer unvergleichlichen Natur. Als wir wieder weit draußen einen Seelöwen vermuten, meint Oliver, er wird diese Wanderung, die „Seelöwenwanderung“ nennen. Dies finde ich eine schöne Idee und ergänze „Seelöwenwanderung zwischen den Erdbeerbäumen“.

Abends sitze ich noch mit einigen, mit Stirnlampe bewaffnet, unter dem Tarpzelt. Anja und Yvonne leben zwar in der Schweiz, kommen aber aus Ostdeutschland. Wir verstehen uns sofort sehr gut und haben viel zu Lachen. Man kann auch bei schlechtem Wetter fröhlich sein, es kommt nur auf die richtigen Leute an. 

Bilder zu 09.-10.09.2018 Südküste von Vancouver Island: