2009 - Bergtour zum Kilimanjaro - 5895 m hoch

 

Wenn ich an mein einmaliges Erlebnis in Afrika und speziell an den Kilimanjaro denke, dann purzeln die Gedanken nur so durch meinem Kopf und ich könnte stundenlang darüber reden oder nur einfach in den Erinnerungen schwelgen, aber diese Emotionen aufschreiben, für andere zugänglich machen, ich will es versuchen.  

Mittlerweile stellen sich jedes Jahr schon fast 50.000 Trekking-Enthusiasten aus aller Welt der Herausforderung, auf dem höchsten Dach von Afrika, auf den noch schneebedeckten Kilimanjaro, auf den Uhuru Peak in 5895 m Höhe zu stehen, wobei auf den insgesamt fünf Routen (Marangu, Machame, Umbwe, Rongai und Lemosho) bergsteigerisches Können nicht unbedingt gefragt ist, eher Ausdauer, Kondition und das Glück und die Geduld, der Höhen-krankheit nicht zu begegnen. Mit Freunden baute ich an der Verwirklichung dieses gemein-samen Traumes. Da sie leider aus triftigen Gründen absagen mussten, habe ich mich einer anderen Gruppe zugesellt.  

Es sollte eine große körperliche und mentale Herausforderung für mich werden. 

Ich vertraute mich also nach umfangreicher Vorbereitung dem Reiseunternehmen aus Freiburg „Elefant-Tours“ an, buchte die „Kilimanjaro Extended via Machame Route mit anschließender Camp Safari“ vom 06.-18.03.2009 und flog mit der Ehtiopian Airlines am 06.03.09 um 22.40 Uhr vom Frankfurter Flughafen nach Addis Abeba, nächsten Morgen von dort weiter über Nairobi, um dann endlich am 07.03.09 gegen Mittag in Tansania auf den Kilimanjaro Airport Nähe Moshi zu landen. In Frankfurt hatte ich schnell meine Mitreisenden gefunden, Dagmar  mit ihrem Mann Jürgen und ihrer Schwester Brigitte aus dem Erzgebirge, ganz normale Berg-und Naturfreunde wie ich, so dass wir gleich den richtigen Nenner fanden. Zur Freude aller Mitreisenden vollführte der Flugkapitän einen ausgiebigen Schlenker über das Ziel unserer Träume, alle hingen an den linken Bullaugen, um die ersten Bilder vom Kilimanjaro zu schießen. Stolz und majestätisch ragte der Vulkankrater aus dem dichten Wolkenband, unbeschreiblich schön. Das Ziel unserer Reise, so nah und doch so fern, aber das wollte wir ja ändern.   

Am nächsten Tag (08.03.) begann dann unser eigentliches Abenteuer. Tanja, eine junge Frau aus Freiburg hatte sich unserer Truppe zugesellt, nun waren wir also 5 Verrückte. Mit dem Jeep ging es von unserem Hotel in Moshi erst durch die Savanne und dann hoch in den Urwald durch das Dorf Machame, welches unserer Route den Namen gab, bis zum Eingang des Nationalparks zum Park Gate in 1790 m Höhe. Die Machame Route, auch „Whisky-Route“ genannt, gilt mit ihren spektakulären Aussichten als landschaftlich lohnenswerteste Route, erfordert aber durch die steileren Passagen mehr Kondition. Nach der Registrierung und Einweisung durch unseren Guide Batschi sowie Verteilung des Gepäcks, starteten wir gegen Mittag in den dichten Regenwald. Ich fühlte mich wie in der Sauna, es war warm, feucht und um uns herum lebte der Urwald. Paoli, unser zweiter Guide führte uns immer „pole, pole“ - langsam auf Swaheli - bis zum 1. Camp, dem Machame Camp in 2990 m Höhe. Unsere Träger waren mit einem stetigen Lächeln und den Gruß „Jambo, Jambo“ an uns vorbei geeilt, hatten bereits die Zelte aufgestellt und unser Koch den Tee bereitet,den der kleine Rama, unser Kellner, lächeln servierte. Das Camp lag bereits am Rande des Regenwaldes. Ab und zu war auch der Gipfel des Kili zu sehen, aber meistens versteckte er sich hinter den Wolken. Unsere Mannschaft, alles Mitglieder vom Stamme der Chagga, die hauptsächlich am Fuße des Kilimanjaro im fruchtbaren Regenwald leben, bestand aus insgesamt 20 Leuten! 3 Guides (jeweils einer für zwei Touristen), 1 Koch, 1 Kellner und 15 Träger (je 3 für einen Touri.). Die Träger durften nur max. 20 Kg Gepäck tragen. Dazu gehörten die gesamte Verpflegung für 6 Tage, Kocher, Geschirr, die Zelte, unsere Matratzen, Schlafsäcke und Gepäck, so dass wir nur unseren Tagesrucksack tragen brauchten. Das Wasser wurde aus den reichlich plätschernden Bergquellen gewonnen und für uns täglich abgekocht.   

Am zweiten Tag ging es nach einem ausgiebigen Frühstück raus aus der Waldzone und rein in die Heide- und Moorlandschaft. Herrliche Ausblicke eröffneten sich zwischen den einzelnen Wegabschnitten, hoch und runter, teilweise schmale Wege zwischen den Berghängen, fast wie in den Alpen. Mal pralle Sonne, mal im Nebel oder leichter Regen, das Wetter war so abwechslungsreich wie die Gegend. Mittlerweile hatten wir das zweite Camp, das New Shira Camp auf 3845 m Höhe nach fast 1000 Höhenmeter Aufstieg gegen 14 Uhr erreicht. Wir verkrochen uns völlig erschöpft erst mal vor dem böigen Regen in unsere Zelte, konnten aber etwas später noch vor dem Essen die Shira Caves (Höhlen) besuchen. Diese dienten früher noch als Camp, werden jetzt aber nicht mehr genutzt.  

War der 1. Tag noch „locker“, so hatte hier wohl für jeden der Kampf mit sich selbst begonnen. Die empfohlene Aspirin täglich half bei den ersten leichten Kopfschmerzen, das sehr gute und reichhaltige Essen vertrug sich leider nicht immer mit dem vielen Wasser und den ungewohnten Anstrengungen. Der Magen rebellierte. 

Der dritte Tag sollte der Akklimatisierung dienen. Es ging nun raus aus der Vegetationszone und rein in die Steinwüste, ein stetig steigender Anstieg und wechselndes Wetter forderten uns immer mehr ab. Es waren noch einige andere Gruppen aus den USA, Kanada, Österreich und Kenia unterwegs, mal war die eine, mal die andere Gruppe vorn. Den Abstecher über den Lava Tower in 4650 m Höhe machte Tanja nicht mit, sie hatte schon leichte Kreislaufprobleme. Auch wir merkten schon die Höhe und gingen mit einen doch etwas mulmigen Gefühl langsam, pole, pole weiter. Der Weg dann um den LavaTower runter in das Barranco Camp auf 3970 m Höhe war dann wieder eine Wohltat und landschaftlich durch die einmaligen übermannshohen Senecien einfach märchenhaft. Die Temperaturen waren tagsüber noch angenehm, doch abends wurde es schon merklich kalt und nachts war alles mit einer silber glitzernden Raureifdecke überzogen.  

Der vierte Aufstiegstag verlangte von uns einiges mehr ab. Gleich früh musste der steilste Abschnitt, die Barranoco Wall, auch Breakfast-Wand genannt, überwunden werden. Ab und zu waren die Hände von Nöten. Mir machte diese leichte Klettereinlage riesigen Spass, war es doch eine willkommene Abwechslung zu den langen gleichmäßigen Anstiegen. Dagegen hatten Tanja mit ihren kurzen Beinen und Dagmar mit ihrer Höhenangst etwas zu kämpfen.  Jürgen und Brigitte genossen wie ich den herrlichen Ausblick ins Tal. Bis Mittag hatten wir noch mehrere harte Talabschnitte bei sengender Sonne zu überwinden, so dass wir doch schon etwas gezeichnet im Karanga-Camp auf 4035 m Höhe eintrafen. Diesmal gab es ein reichhaltiges warmes Mittagessen mit Pommes, Hähnchen, Piroggen, Suppe und Tee. Ansonsten erhielten wir immer ein Lunchpaket und ausreichend zu Trinken mit.  

Gern hätte ich in Ruhe mein Mittag verdaut, aber Batschi ließ uns nicht viel Zeit dazu. Langsam aber stetig ging es wieder los, nun durch eine endlose Steinwüste, mal verdeckten aufziehende Wolken die Sicht, mal sahen wir weit oben andere Gruppen auf den sich schlängelnden Weg. Dazwischen entlud sich eine dichte Hagelwolke über uns, es hörte sich an, als ob tausendfach Glas zerbricht. Am Anfang hatte ich noch schwer mit mein Hähnchen zu kämpfen. Kopfschmerzen setzen wieder ein und ich schnaufte wie eine alte Dampflok. Die Pausen wurden immer häufiger. Dagmar bekam kaum noch Luft, Tanja hatte schon blaue Lippen, Jürgen schimpfte über jede neue Steigerung und sorgte sich um seine Frau und sein Knie. Brigitte versuchte die Ruhe zu bewahren und sah von uns allen noch am besten aus. Die letzten Meter zum Barafu-Camp in 4540 m Höhe waren wohl die bisher schwersten für uns alle. Auch unsere Träger gingen nicht mehr so zügig an uns vorbei. Sie hatten mit ihrer schweren Last ganz schön zu tun. Nur unsere drei Guides liefen locker neben uns her und unterhielten sich angeregt. Sie waren schon öfters aufgestiegen, hatten aber irgendwann aufgehört zu zählen.  

Das letzte Camp vor dem Gipfel lag dicht am Berg gezwängt, zwischen den einzelnen Felsen war kaum Platz für die kleinen Zelte. Der kurze Weg zum Toilettenhäuschen erforderte nochmal eine gute Trittsicherheit. Nach dem Abendessen, viel konnten wir nicht mehr runter kriegen, besprachen unsere drei Guides den Gipfelaufstieg mit uns. Batschi sah jeden in die Augen und redete uns ins Gewissen. Doch jeder von uns antwortete mit einen mehr oder minder klarem  „Yes, I am okay! “  Im Zelt dann, wir hatten einen herrlichen Blick auf den 5120m hohen Mawenzi, den zweiten kleineren Vulkangipfel, war ich mir nicht mehr so sicher.  

Der Gipfelaufstieg begann kurz vor Mitternacht bei Vollmond und sternenklaren Himmel. In der Nacht hatte es leicht geschneit, so war der Weg zum eigentlichen Gipfel gut zu erkennen. Im Zickzack gingen die einzelnen Gruppen, mit ihren Stirnlampen wie kleine Glühwürmchen leuchtend, langsam den Berg über das Geröll und der gefrorenen Lavaasche hinauf.  Auch unsere kleine Gruppe, alle eingemummelt wie die Eskimos, erfuhr die Langsamkeit des Seins. Mit jedem Atemzug ein Schritt und die Frage, weiter gehen oder stehen bleiben oder umkehren? Der Kopf tat weh, die Atmung ging rasend, die Schritte wurden unsicherer, ganz besonders bei den vielen Kehren. Ständig machten wir Pause, tranken Wasser und Tee und versuchten, die Atmung runter zu bekommen. Dabei kroch uns die Kälte bitterlich in den Gliedern. Bei einer der vielen Pausen gegen 2 Uhr gab Tanja auf. Sie konnte nicht mehr. Fürsorglich wurde sie von Radusch, unseren dritten Guide nach unten begleitet. Wir anderen gingen unsicher weiter. Batschi und Paoli nahmen die Rucksäcke von Dagmar und Brigitte. Jürgen sorgte sich laut um seine Frau und wollte sie zum Umkehren bewegen, sie hatte kaum Luft, um ihn zu antworten, schleppte sich aber weiter. Eine junge Frau aus eine anderen Gruppe kam uns mit ihrem Guide entgegen, ein älterer Herr hatte auch schon aufgegeben. Ich ging als Letzte und versuchte in Gedanken irgendwelche Gedichte aufzusagen, eine Weile konnte ich mich damit ablenken. Irgendwann schien nichts mehr zu gehen, wir waren fertig und konnten nicht mehr. Da meinte Batschi, dass wir in 10 Minuten auf den Gipfel wären. Und er sollte zu unserem Glück Recht behalten. Kurz vor 7 Uhr, kurz vor Sonnenaufgang hatten wir den ersten Punkt, den Stella Point auf 5765 m Höhe erreicht und lagen uns vor Freude atemlos in den Armen. Die weiteren Minuten, als die Sonne in ihrer vollen Größe über dem dichten weißen Wolkenteppich erwachte und ein einmaliges Farbenschauspiel um den riesigen Vulkankraters und seinen umliegenden Gletschern veranstaltete; von dunkel glänzenden Silberstreifen übergehend in einen fliegenden Fächer von leuchtenden Rot- und Goldtönen . . .  ich kann es nicht beschreiben. Man muss es gesehen haben und für immer in sich aufnehmen. Wir waren zwar körperlich am Boden, aber seelisch im siebten Himmel. Die letzten 130 Höhenmeter, bis zum berühmtesten Bretterkreuz der Welt, bis zum Uhuru Peak auf 5895 m Höhe, dem Dach von Afrika, meisterten wir auch noch und saugten förmlich mit all unseren Fasern die noch nie gesehene grandiose Landschaft in uns auf. Wir standen am höchsten Punkt des riesigen Kraterrandes, der von einigen wahnsinnig beeindruckenden steil aufsteigenden Gletschern umrahmt war. Wir konnten es noch gar nicht richtig fassen, aber unser Traum war in Erfüllung gegangen. Sprachlos und voller Demut genoss ich diesen Augenblick ….  

Der folgende Abstieg am gleichen Tag noch, war kurz gesagt, die reinste Hölle. Von 5895m Höhe ging es bis auf 2835m Höhe steil runter ins Mweka Camp, erst über die rutschige Geröll- und Lavapiste zurück, dann im strömenden Regen durch eine Steinwüste und zum Schluss wieder rein in den tropischen Regenwald durch tief ausgewaschene Wege, über Wurzeln und große sich lösenden Steine stolpern. Hatte ich hoch zu keine Beschwerden, so wusste ich jetzt nicht was mehr weh tat, die Beine, der Rücken oder die Füße. Aber nach 16 Stunden Anstrengung (1300m Aufstieg und 3000m Abstieg) wurden wir im Camp mit einem Kilimanjaro-Bier (4 Dollar) fürstlich belohnt.

Am letzen Tag verabschiedeten wir uns früh von unserer Mannschaft, die uns zum Abschied ihr Kilimanjarolied sangen. Im Hotel in Mohsi erhielten wir unsere Urkunde und feierten nach einem äußerst wohltuenden Bad bis spät in die Nacht unsere erfolgreiche Gipfelbesteigung. 

Die nächsten vier Tage verbrachten wir auf einer ebenfalls beeindruckenden Safari durch den Tarangire Nationalpark, im Ngorongoro Krater und am Lake Manyara völlig im Banne der afrikanischen Pflanzen-und Tierwelt, so dass wir unsere Reise vollgestopft mit wahnsinnig vielen Erlebnissen und Eindrücken nach einem anstrengend Nachtflug früh am 18.03.09 am Frankfurter Flughafen glücklich beenden konnten. 

Es wäre übertrieben so sagen, dass ich als anderer Mensch zurück kam, nein, aber diese Reise hat mich in meinen Denken und Handeln bestätigt, dass man auch etwas scheinbar Außergewöhnliches erreichen kann, wenn man nur will. Und es hat mich in meiner Überzeugung bestätigt, dass dies auch nur im Einklang mit der Natur möglich ist. Deshalb bin ich ihr voller Respekt und Ehrfurcht für das für mich einmalige Erlebnis unendlich dankbar. 

 

P.S.

Wie vielleicht einige aus den Medien erfahren haben, soll sich der Multimiliadär Roman Abramowitsch, zweitreichster Mensch Russlands und unter anderem Eigner des Londoner Fussballclup FC Chelsea, im September diesen Jahres mit 113 Helfern an der Bezwingung des Kilimanjaro versucht haben. Leider erfolglos. Geld allein bezwingt eben keine Gipfel. Ein beruhigendes Gefühl für alle ernsthaften Berg-und Naturfreunde. 

 

  Kilimanjaro  

 

                         Majestätisch ragt er über alles Leben  

                         voller Kraft und seltener Magie  

                         noch bedeckt mit weißer Krone           

                         wacht der Kibo über Moshi  

 

                        Berg der Berge  

                        geboren aus Vulkangestein  

                        mitten im Urwald stehend  

                        einzigartig, wissend, einsam und allein

 

                        Du wirst vergöttert von allen 

                        und bezwungen von einigen  

                        nein, nicht bezwungen 

 

                        Du lässt dich nicht bezwingen, du lässt uns zu dich  

                        wir können dich erahnen, fühlen, versuchen zu begreifen  

                        aber nicht bezwingen  

 

                        Aber wir können uns  bezwingen  

                        unsere Gier und Habsucht 

                        unser Streben nach Macht und Ruhm  

 

                        Ich will mich finden, will ablegen die Last 

                        will dich fühlen, spüren unter meine Füßen 

                        und sehen was du sieht

  

                         Will sein wie du 

                         mitten im Leben stehend 

                         einzigartig, wissend, einsam und allein

 

                                                                                  

 

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